Umgangsverweigerung durch einen Elternteil
Das OLG Braunschweig stellt klar, wann auf eine Anhörung des Kindes in Umgangsverfahren verzichtet werden kann (Beschluss des OLG Braunschweig, 28.07.2018 - 2 UF 57/18)
Das Oberlandesgericht Braunschweig hat kürzlich in einem Umgangsstreit unter anderem konkretisiert, wann bzw. unter welchen Umständen von dem gesetzlich vorgeschriebenen Anhörungserfordernis von Kindern ausnahmsweise abgesehen werden kann. Grundsätzlich sind Kinder ab Vollendung des dritten Lebensjahrs in Umgangsverfahren anzuhören, wenn die Neigungen, Bindungen oder der Wille des Kindes für die Entscheidung von Bedeutung sind. Hiervon darf jedoch dann abgesehen werden, wenn mithilfe anderer Informationen diese entscheidungsrelevanten Umstände festgestellt werden können.
Es ist nämlich nicht mit dem gesetzgeberischen Zweck der gerichtlichen Anhörung von Kindern vereinbar, diese auch dann gerichtlich zu erzwingen, wenn zu erwarten ist, dass der das Kind betreuende Elternteil, der mit allen, auch unzulässigen Mitteln den Umgang zu verhindern bestrebt ist, das Wohl des Kindes zusätzlich dadurch gefährdet, dass er dessen persönliche Anhörung durch das erkennende Gericht zu verhindern sucht.
Weiter hat das Gericht festgestellt, dass ein Verfahrensbeistand ausschließlich dem Wohl des Kindes verpflichtet ist und es in seinem Ermessen liegt, in welchen Umfang er Kontakt zu dem Kind aufnimmt. Eine Aufhebung der Bestellung eines Verfahrensbeistands wegen der Besorgnis der Befangenheit ist nicht durch das Gesetz vorgesehen. Das Familiengericht trifft lediglich die Pflicht dafür Sorge zu tragen, dass der Verfahrensbeistand diese Aufgabe sachgerecht wahrnimmt.
Der konkrete Fall
In dem vorliegenden Fall streiten sich die Kindesmutter eines 3 Jahre alten Sohnes mit dem Kindesvater über den väterlichen Umgang mit dem Kind. Die Eltern hatten sich im Jahr 2012 kennengelernt und aus ihrer Beziehung ging im Jahr 2014 der gemeinsame Sohn hervor. Die elterliche Sorge für den Sohn übten die Eltern entsprechend einer Sorgerechtserklärung zunächst gemeinsam aus. Nach der Trennung im Jahr 2015 lebte der Sohn bei der Kindesmutter, der Sohn verbrachte jedoch regelmäßig Tage und auch Übernachtungen bei dem Kindesvater. Seit dem Jahr 2017 verweigerte die Kindesmutter dem Kindesvater den Kontakt. Sie begründete dies damit, dass sie davon ausgehe, dass der Kindesvater den Sohn sexuell missbrauche, weshalb dieser unter deutlichen Auffälligkeiten, Essstörungen, Angstzuständen und Albträumen leidet.
Eine von der Kindesmutter aufgesuchte Allgemeinmedizinerin attestierte dem Sohn zwar Verhaltensauffälligkeiten, diese bestätigte jedoch nicht, dass dieser sexuell missbraucht worden sei. In einer anschließenden stationären Behandlung diagnostizierten die betreuenden Ärzte eine posttraumatische Belastungsstörung und empfahlen eine über die stationäre Behandlung hinausgehende Therapie des Kindes. Ein sexueller Missbrauch konnte auch hier nicht festgestellt werden.
Nachdem die Kindesmutter in die knapp 600 km entfernte Heimat ihrer Eltern zog und dem Kindesvater weiteren Kontakt mit dem Sohn untersagte, leitete dieser gerichtliche Schritte ein. Im Laufe des Verfahrens verhinderte die Kindesmutter durch Nichterscheinen die persönliche Anhörung des Kindes mit der Folge, dass das Gericht dem Vater zunächst ein begleitetes Umgangsrecht einräumte. Nachdem die ersten Treffen entsprechend den Aussagen der Umgangsbegleitung positiv verliefen, sah das Jugendamt keine Notwendigkeit mehr für eine solche Umgangsbegleitung. Die Kindesmutter teilte diese Auffassung nicht und legte eine ärztliche Bescheinigung vor, welches zum einen von dem väterlichen Kontakt abrate und zum anderen eine Reiseuntauglichkeit des Kindes attestierte. Eine anschließend vom Gericht angeordnete amtsärztliche Untersuchung verhinderte die Kindesmutter. Ebenso scheiterte eine Anhörung durch einen Verfahrensbeistand an der Verweigerung des Anhörungsortes durch die Kindesmutter, woraufhin diese den Verfahrensbeistand als befangen ablehnte. Zu einem weiteren vom Gericht anberaumten Anhörungstermin brachte die Kindesmutter den Sohn erneut nicht mit.
Die Entscheidung des Gerichts
Das Gericht kommt zu der Feststellung, dass die Kindesmutter den sexuellen Missbrauch konstruiert habe. Insbesondere bestätigten auch die von ihr vorgelegten Atteste einen solchen Missbrauch nicht. Die Kindesmutter habe konsequent verhindert, dass ihr Sohn vom Verfahrensbeistand angehört werden kann. Ebenso habe sie die Durchführung einer vom Senat angeordneten amtsärztlichen Untersuchung des Sohnes vereitelt. Die Empfehlungen der verschiedenen von ihr aufgesuchten Ärzte habe sie nicht befolgt, mit der Folge, dass die empfohlenen therapeutischen Maßnahmen unterblieben sind. Die Verhaltensauffälligkeiten des Kindes, so das Gericht, seien primär auf einen bestehenden Loyalitätskonflikt des Kindes zurückzuführen. Vorliegend versuche die Kindesmutter jedwedes Verhalten des Kindesvaters zu kritisieren und ihren Sohn auf diese Weise zu manipulieren.
Vor diesem Hintergrund sei dem Kindesvater ein uneingeschränkter Umgang mit seinem Sohn einzuräumen. Um diesen reibungslos durchsetzen zu können, werde eine Umgangspflegerin bestellt, die den Sohn bei der Kindesmutter abholt, seinen Zustand überprüft und ihn anschließend beim Kindesvater abgibt. Das Gericht dürfe vorliegend auch ohne die Anhörung des Sohnes entscheiden, da aufgrund der weigernden und manipulierenden Art der Kindesmutter davon auszugehen sei, dass die Anhörung eine Störung des innerlichen Gleichgewichts des Kindes verursache und gleichzeitig keine neuen Erkenntnisse beibringe.
Eine Ablehnung des Verfahrensbeistands wegen der Besorgnis der Befangenheit sähe das Gesetz nicht vor. Ein Verfahrensbeistand sei ein unabhängiger Beteiligter des Verfahrens, welcher ausschließlich dem Wohl des Kindes und gerade nicht der Kindesmutter verpflichtet sei. Zu den Pflichten des Verfahrensbeistands gehöre es, sich zu bemühen, den persönlichen Kontakt zu dem betroffenen Kind zur sachgerechten Aufgabenerfüllung herzustellen. Dabei liege es grundsätzlich im Ermessen des Verfahrensbeistands, wie er die Interessen des Kindes wahrnimmt und wie er verfährt, um einen möglichst unverfälschten Eindruck zu erlangen. Eine Aufhebung der Bestellung des Verfahrensbeistands sei nur dann geboten, wenn er ungeeignet ist oder durch gewichtiges Fehlverhalten bzw. eine sachgerechte Wahrnehmung der Interessen des Kindes unterlässt, was vorliegend nicht der Fall war.
Was bedeutet das für sie als umgangsberechtigte Person?
Grundsätzlich hat jedes Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil, jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind berechtigt und verpflichtet. Können Sie sich als Eltern nicht über den Umgang des Kindes einigen, kann das Gericht ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des Wohles des Kindes den Umgang regeln.
Sollte Ihr Umgangsrecht verhindert werden oder können sie dieses nicht in der Ihnen zustehenden Weise ausüben, lassen Sie sich beraten. Das Team der Kanzlei Jordan Fuhr Meyer erreichen Sie unter einer der hier angegebenen Telefonnummern an einem unserer Standorte in NRW: https://www.jfm24.de/rechtsberatung/familienrecht/
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